eastcare, 18.03.2022
Die 20er Jahre – eine Dekade der Multiaccess-Modelle?
Das Wachstum bei den alternativen Versicherungsmodellen war in der letzten Dekade insbesondere geprägt vom Versichertenanstieg bei den Telemedizinischen Modellen, die von den Versicherungen mit grosszügigen Prämienrabatten erfolgreich im Markt platziert wurden.
Immer (mit wenigen Ausnahmen wie Notfall, etc.) als erste Anlaufstelle an das telemedizinische Zentrum zu gelangen, entspricht jedoch klar nicht den Bedürfnissen der allermeisten Menschen. Wegen der attraktiven Prämien wurde dies als notwendiges Übel aber in Kauf genommen.
Denn gemäss Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (OBSAN) wünscht sich die Schweizer Bevölkerung von der zukünftigen ambulanten Grundversorgung, dass...
- der Hausarzt die hauptverantwortliche Behandlungsperson ist und die zentrale Steuerungsfunktion übernimmt.
- die Kontinuität der Behandlung gewahrt ist, d.h. man wählt bevorzugt Versorgungsmodelle, bei den Behandelnde die gesundheitliche Vorgeschichte der Patienten kennen und in die Patientenakte Einblick nehmen können.
Weiter sind gemäss OBSAN-Studie jüngere Menschen grundsätzlich flexibler und offener, was neue ambulante Versorgungsmodelle betrifft. Jüngere können sich beispielsweise einen Erstkontakt per App und digitale Behandlungsangebote vorstellen. Diese Altersgruppe ist auch besonders preissensibel. Noch bemerkenswerter ist, dass gemäss dem eHealth Barometer von eHealth Suisse sich die Mehrheit der Bevölkerung selbst bei administrativen Prozessen wie der Eröffnung des EPD wünscht, dies beim Hausarzt machen zu können.
Nimmt man die Wünsche der Schweizer Bevölkerung ernst, braucht es bei den Produktverantwortlichen der Versicherungen dringend ein Umdenken. Es sind Lösungen sowohl für die älteren als auch jüngeren Menschen, welche Offenheit gegenüber anderen Erstkontakt-Optionen als dem klassischen Besuch beim Hausarzt zeigen, gefragt.
Erste Versicherungen haben schon gehandelt und lancierten Produkte mit Wahlmöglichkeit von zwei Anlaufstellen, sogenannte Multiaccess-Modelle. Das bisher umfassendste Produkt hat die CSS mit Multimed ins Leben gerufen. Multimed versucht nebst dem Aspekt der Wahlmöglichkeit der geeigneten Anlaufstelle Hausarzt und Telemedizin auch dem zweiten Bedürfnis der OBSAN-Studie – die Behandelnden kennen die gesundheitliche Vorgeschichte des Patienten und haben Einblick in die Patientenakte – Rechnung zu tragen. Dies, indem mittels eines Tools der Informationsaustausch zwischen dem Hausarzt und dem Telemedizinischen Zentrum unterstützt wird. Selbstredend ist, dass die digitale Lösung bei einer Weiterentwicklung für alle Multiaccess-Modelle mit Bezug zum Hausarzt Anwendung finden muss, und dass ebenfalls der Informationseinblick über die wichtigsten klinischen Parameter in einer einfachen Weise gewährt ist.
Werden diese beiden Anforderungen – und dies ist unerlässlich – künftig zusätzlich erfüllt, werden die Multiaccess-Modelle die Bedürfnisse der Menschen als auch der Behandelnden um Längen besser decken als die reinen Telemedizinischen Modelle. Und dann haben die Multiaccess-Modelle auch das Potential, das AVM-Modell der 20er Jahre zu werden – und last but not least, Gestaltungsmöglichkeiten für Problemfelder rund um die Notfallversorgung und den Hausarztmangel zu eröffnen.