eastcare, 25.06.2021
«Betriebsanleitung Debitorenmanagement»
Die zunehmende Verschlechterung der Zahlungsmoral macht auch vor Arztpraxen nicht halt, und Sie sehen sich vermehrt mit Patientinnen und Patienten konfrontiert, die ihre Arztrechnungen nicht bezahlen.
Wie kann man diesem Missstand entgegenwirken?
Mit einem individuellen Abrechnungssetting haben Sie für alle Patientinnen und Patienten die effektivste Form der Abrechnung zur Hand. Sie ersparen sich damit nicht nur Ärger, sondern auch unnötige Kosten.
Vorab ist es wichtig, dass Sie Ihre Kundinnen und Kunden richtig einschätzen. Wir haben nachfolgend die vier häufigsten Fälle charakterisiert:
- Zahler: Patienten, welche die Rechnungen ohne Probleme bezahlen.
- Zahlungsunwillige: Notorische Nichtzahler - bezahlen alle Rechnungen erst nach der 3. Mahnung oder nach Androhung der Betreibung.
- Nichtzahler mit genügend hohem Einkommen: Personen, die über ihre Verhältnisse leben und/oder Schulden haben (z.B. durch Kredite).
- Zahlungsunfähige mit zu geringem Einkommen: Trotz Arbeit und Einkommen reicht das Geld nicht, um alle Rechnungen zu begleichen (z.B. Working Poor).
Wie ist das Vorgehen, wenn ein neuer noch unbekannter Patient in der Praxis steht?
Vorab empfehlen wir Ihnen, von den Patientinnen und Patienten ein Anmeldeformular ausfüllen zu lassen (Beispiel Anmeldeformular für Patienten.pdf). Dieses hilft Ihnen, die Administrativdaten à jour zu halten, die notwendigen Einwilligungen für das Einholen und/oder Weiterleiten von Informationen rechtsgültig zu dokumentieren und festzulegen, wie die Leistungsabrechnung erfolgen soll.
Für die Festlegung des individuellen Abrechnungssettings pro Patientin/Patient hilft folgender Raster:
Verrechnen Sie Leistungen vermehrt per Direkt-Inkasso bar oder über ein EC-Kartenterminal.
Welche Hilfsmittel stehen der Praxis zur Verfügung, um Patientinnen und Patienten mit Leistungsaufschub zu erkennen bzw. um Informationen zur Versicherungsdeckung zu erhalten?
Es stehen Ihnen diverse Möglichkeiten zur Datenabfrage via Versicherten-karte zur Verfügung. Viele Praxissoftwarehersteller haben diesen Service in ihre Software integriert. Ihr Softwarelieferant kann Ihnen hierzu sicher weiterhelfen.
Unabhängig davon können Sie diese Informationen auch direkt online über folgende Dienstleister abfragen:
Weiterführende Informationen im Falle eines Leistungsaufschubs
Wie ist der Leistungsaufschub bei unbezahlten Prämien geregelt?
Mit der Revision von Artikel 64a des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) und dem dazugehörigen Artikel 105 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV), wurde die Übernahme von nicht bezahlten Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) und der Leistungsaufschub ab dem 1. Januar 2012 neu geregelt.
So vergüten die Krankenversicherer seit dem 1. Januar 2012 die erbrachten Leistungen auch bei säumigen Prämienzahlern. Im Gegenzug sind die Kantone verpflichtet, 85 Prozent der ausstehenden Forderungen für Prämien und Kostenbeteiligungen zu übernehmen.
Kantonale Regelung des Leistungsaufschubs
Schwarze Listen
Jeder Kanton kann darüber entscheiden, ob er den Leistungsaufschub an-wenden möchte, und entscheidet, welcher Versicherte mit einem Leistungsaufschub belegt wird. Die betroffenen Personen werden von den Kantonen auf sogenannten «Schwarzen Listen» geführt, auf welche nur die Leistungserbringer (Arzt, Spital), die Gemeinden für ihre Einwohnerinnen und Einwohner und der Kanton beziehungsweise die zuständige kantonale Stelle Zugriff haben. Folgende Abbildung zeigt die Kantone auf, welche gemäss Stand vom 01.12.2021 eine solche Liste führen.
Was gilt nun in den «eastcare-Kantonen»?
Kantone ohne Listen für säumige Prämienzahler (AI/AR/GL/GR/SG/SH)
Wenn der Leistungserbringer mit den vorgenannten Abklärungen feststellt, dass der Patient ein «schlechter Zahler» ist, sollte man für diese Patientinnen und Patienten im Tiers Payant abrechnen. Die Krankenversicherung ist dann in der Vorleistung und fordert dann vom Kanton 85% der Forderung der Rechnung zurück.
Kantone mit Listen für säumige Prämienzahler (TG)
Für Patientinnen und Patienten die auf der schwarzen Liste aufgeführt sind gilt ein Leistungsaufschub. Das heisst, von den Krankenversicherern erfolgt eine Leistungsvergütung nur noch im Fall eines Notfalls. Selbstverständlich können diese Patienten unabhängig der Frage Notfall ja/nein behandelt werden. In diesen Fällen wird allerdings eine alternative Zahlungsmethode empfohlen.
Kurzer Exkurs zur Definition eines medizinischen Notfalls
Gemäss «Pschyrembel» handelt es sich bei einem medizinischen Notfall um einen akuten, lebensbedrohlichen Zustand durch Störung der Vitalfunktionen oder Gefahr plötzlich eintretender, irreversibler Organschädigung in Folge Trauma, akuter Erkrankung oder Intoxikation.
Ärztinnen und Ärzte bzw. Medizinalpersonen sind gesetzlich verpflichtet, in dringenden Fällen Beistand zu leisten. Mit der Beistandspflicht ist die Hilfestellung in Notsituationen gemeint. Die Beistandspflicht geht weiter als der medizinische Notfallbegriff. Sie verlangt von den Medizinalpersonen nicht nur eine Hilfeleistung bei Lebensgefahr der betroffenen Person, sondern allgemein eine solche in «dringenden» Fällen. Dringend ist ein Fall auch dann, wenn zwar keine Lebensgefahr besteht, die betroffene Person aber umgehend Hilfe braucht, weil ihre Gesundheit ansonsten ernsthaft beeinträchtigt werden könnte.
Für die Beurteilung, ob es sich bei einer medizinischen Behandlung um eine Notfallbehandlung im Sinne von Art. 64a Abs. 7 KVG handelt, kann somit weder deren Vorhersehbarkeit noch der enge medizinische Notfallbegriff entscheidend sein. Das Schiedsgericht des Kantons St. Gallen gelangt nach dem gesagten zum Schluss, dass in denjenigen Fällen, in denen den Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukommt, von einer Notfallbehandlung im Sinne von Art. 64a Abs. 7 KVG auszugehen ist.
Einsicht in die Liste der säumigen Prämienzahler
Zur Einsicht in die Liste der säumigen Prämienzahler berechtigt sind die zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassenen Leistungserbringer, sofern sie über eine Zahlstellennummer der Versicherer verfügen (§ 9 Abs. 3 TG KVV).
Der Antrag zur Registrierung muss bei der Sasis gestellt werden. Es gibt zwei mögliche Zugriffsarten:
1. VeKa Plus
(www.sasis.ch/Dokumente)
(www.sasis.ch/Dokumente)
- Abfrage Liste der säumigen Prämienzahler (LSP)
- Abfrage, bei welchem Krankenversicherer der Patient versichert ist
- Abfrage der Deckungsdaten, etc.
- Kosten: CHF 150.- / Jahr
- Abfrage der Liste der säumigen Prämienzahler (LSP)
- Kostenlos
Fazit
- Wenn möglich, die elektronische Abrechnung z.B. über eastcare AG wählen
- Liste der säumigen Prämienzahler unbedingt konsultieren
- Rechnungs- und Mahnperiodizität möglichst eng halten
- Mit dem Covercard-System und der Versichertenkarte arbeiten
- Vermehrt Barzahlungen verlangen
- Teilzahlungsvereinbarungen unter 1 Jahr Laufzeit vereinbaren (bei Zahlungsrück-stand und Patienten mit bisher guter Zahlungsmoral)
- Vermerk in Patientenstammdaten im Praxisinformationssystem zu Zahlungsmoral, Leistungsaufschub, etc.
- Verschiedene Brief- und Antragsvorlagen bereitstellen
- Adressen von Institutionen zur Verfügung stellen (z.b. Schuldenberatung der Gemeinde)
- Ablauf im Team festlegen
- Eigene Listen führen:
- Patienten ohne Versichertenkarte
- Leistungsaufschub
- Schlechte Zahler
- Abzahlungsvereinbarungen
- Mahnstopp
Zögern Sie nicht, uns bei allfälligen Fragen oder für weitere Auskünfte zu kontaktieren. Herr Benno Baumgartner (benno.baumgartner@eastcare.ch /
+41 71 282 20 00) freut sich auf Ihren Anruf.
Ein PDF zur «Betriebsanleitung Debitorenmanagement» finden Sie auf dem Download-Bereichs der Sparte Trustcenter oder hier: